Sr. Raphaelis wurde als älteste Tochter der Eheleute Peter und Maria Roth am 03. September 1931 in Seeg geboren und einen Tag nach der Geburt auf den Namen Genovefa getauft. Sie wuchs mit ihren weiteren drei Geschwistern auf einem landwirtschaftlichen Anwesen im Allgäu auf. Der christliche Glaube und die Arbeit waren dem Mädchen von Kindheit an vertraut und prägten ihr bodenständiges Wesen.
Von 1938 bis 1946 besuchte Genovefa die Volkschule in ihrem Heimatort. Anschließend absolvierte sie die landwirtschaftliche Berufsschule in Seeg und schloss diese 1948 ab. Als älteste Tochter half sie ihren Eltern weiterhin im Haushalt und in der Landwirtschaft auf dem elterlichen Bauernhof, bis sie ihrem Ruf zum Ordensleben folgte.
Im Alter von 30 Jahren bat Genovefa am 07. Februar 1961 um Aufnahme in die Schwesterngemeinschaft der St. Josefskongregation. Am Franziskustag 1962 wurde sie in das Noviziat der Ordensgemeinschaft aufgenommen und erhielt den Schwesternnamen Sr. M. Raphaelis. 1964 legte die Schwester die zeitliche Profess ab und drei Jahre später versprach sie am Festtag des hl. Franziskus auf Lebenszeit Christus nachzufolgen.
Entsprechend ihrer Eignung und der reichen Erfahrung in der Landwirtschaft wurde Sr. Raphaelis in den Ursberger Stallungen eingesetzt. Dieser Bereich sollte für 30 Jahre ihr Lebens- und Schaffensort sein. Mit Liebe und mütterlicher Fürsorge kümmerte sie sich um das ihr anvertraute Melkvieh. Die tägliche oftmals schwere Stallarbeit verrichtete Sr. Raphaelis treu und stetig. Ihr ruhiger, innerlich froher und ausgeglichener Charakter waren für Tier und Mensch heilsam und wertvoll.
Auf Grund von Veränderungen in der Viehhaltung wechselte Sr. Raphaelis 1991 in den Schwesternkonvent nach St. Salvator. Dort brachte sie sich mit ihren vielseitigen Fähigkeiten in der Küche und im Garten ein. Zusammen mit den Mitarbeiterinnen der Küche sorgte sie für das leibliche Wohl der Mitschwestern und übernahm verschiedenste Reinigungsarbeiten im Haus. Keine Arbeit war ihr zu schwer oder zu viel. Ihre stete Hilfsbereitschaft und ihre praktische und realistische Sicht der Dinge eröffneten ihr den Zugang zu ihren Mitschwestern und Mitmenschen. Ein besonderes Kleinod war für sie der Garten von St. Salvator. Sr. Raphaelis hütete und bebaute ihn mit besonderer Liebe und Sorgfalt, sodass eine Vielzahl von Blumen und Kräutern das Haus mit ihrer Schönheit umrahmten. Auch die Mariengrotte im Garten oblag ihrer Obhut. Innerhalb der Schwesternge-meinschaft im Haus St. Salvator übernahm Sr. Raphaelis 23 Jahre lang das Amt und die Verantwortung als Konventsvikarin. Mit Autofahrtdiensten innerhalb von Ursberg und im näheren Umkreis stand sie Mitschwestern helfend zur Seite. Die gute und herzliche Verbindung zu ihrer Familie schätze Sr. Raphaelis sehr und die Urlaube in ihrer Allgäuer Heimat bereicherten ihr Leben.
Auch mit Krankheiten war die Schwester immer wieder vertraut, die sie jedoch nicht daran hinderten, ihren Dienst und ihre Arbeit zu verrichten. An sich hat Sr. Raphaelis immer zuletzt gedacht. Ihr Leben war vom Grundsatz „Ora et labora“ – „Bete und arbeite“ geprägt und hingeordnet. Das Gebet lag Sr. Raphaelis am Herzen, aus ihm hat sie Kraft für ihren Dienst und ihr Ordensleben geschöpft. Oftmals sah man sie an der Grotte oder im Gebet vor dem eucharistischen Herrn verweilen. Ihr besonderes Vertrauen in die Vorsehung Gottes kommt im Satz unseres Gründers Dominikus Ringeisen zum Ausdruck: „Bleib‘ doch recht ruhig mit Jesus im Herzen. sag‘ ihm alles, frag‘ ihn alles, vertraue grenzenlos“. Diesen hat sie ans Wandkreuz in ihrem Zimmer geheftet.
Bis zuletzt sah man Sr. Raphaelis im Garten arbeiten, bevor Ende letzten Monats auf Grund körperlicher Beschwerden ein Krankenhausaufenthalt notwendig wurde. Der gesundheitliche Zustand verschlechterte sich zunehmend, so dass medizinische Hilfe nicht mehr möglich war.
Am Vorabend des Hochfestes Maria Himmelfahrt wurde Sr. Raphaelis während des liturgischen Abendgebetes im Beisein von zwei Mitschwestern in St. Salvator von Gott in die Ewigkeit heimgeholt.